Die Revoluzzer von der Karls:
Über die Wandlung einer Privatuni zur „Bewegungshochschule“
„Badische Revolution“ übertitelte die brand eins im Jahr 2009 einen ihrer Beiträge und meinte damit das, was gerade in einer Bildungseinrichtung in Karlsruhe geschah. Angeführt von der Hochschulleitung und getragen von den Studierenden, probte eine kleine Privatuni, die sich gerade den Namen „Karlshochschule“ gegeben hatte, den Aufstand gegen das Bildungsestablishment. Ins Visier genommen wurden nicht nur etablierte Formen der Wissensvermittlung, die vom neuen Präsidenten öffentlich gerne als „Stoff-Bulimie“ abgekanzelt wurden: „Reinschaufeln, auskotzen, vergessen“. Der neue Präsident Michael Zerr war kein Unbekannter, hatte er doch einige Jahre zuvor mit Yello Strom bereits die Energiebranche aufgemischt und vm-people mit aus der Taufe gehoben.
Manager als Widerstandskämpfer?
Ausgehend von einem Bildungsideal, das jungen Menschen die Bereitschaft zuschreibt, Verantwortung zu übernehmen, und das Führung vor allem als Dienst am Mitmenschen und an der Gesellschaft begreift, ging es den Aufrührern von Anfang an vor allem darum, einen anderen Managertypus hervorzubringen. Die Absolventen der „Karls“, wie die Hochschule von Studierenden und Mitarbeitern bald liebevoll genannt wurde, sollten in der Lage sein, ihre Perspektive zu verändern, weit über den eigenen Tellerrand hinauszublicken und Dinge in der Welt grundsätzlich in Frage zu stellen, das eigene Denken und Handeln eingeschlossen.
Zehn Jahre später scheint die Mission der Gründer von einst relevanter denn je. In Zeiten von Bewegungen wie „Fridays vor Future“ sind Unternehmen und Marken gefordert, zu gesellschaftlichen Fragen wie dem Klimawandel Stellung zu beziehen und sich ihrer eigenen Rolle in komplexen, globalen Zusammenhängen bewußt zu werden. Dafür braucht es Menschen, die sich nicht nur ein grünes Mäntelchen umhängen und Greenwashing betreiben wollen, sondern die bereit sind, wirklich etwas in der Welt zu verändern. In der Diskussion, ob es legitim ist, dass Schüler auf die Straße gehen, um ihrem Protest Ausdruck zu verleihen, bezieht die Karlshochschule klar Stellung, zum Beispiel durch ihren Beitritt zum Aktionsbündnis Klimaschutz Karlsruhe.
Die Anleitung zum Regelbruch ist tief im kulturellen Code der Organisation verankert und findet folgerichtig auch in der Lehre ihren Ausdruck. So bietet die Karlshochschule International University ihren Studierenden mit dem SENSE-Projekt, das vom Land Baden-Württemberg finanziell gefördert wird, einen Nährboden für die Entfaltung von zivilgesellschaftlichem Engagement und die Möglichkeit, Sinn zu stiften – sowohl im lokalen Umfeld in Karlsruhe, als auch im Rahmen von Praxiserfahrungen im Ausland.
Let’s make a difference!
Seit dem Aufbruch vor genau zehn Jahren habe ich die „Karls“ intensiv auf ihrem Weg begleitet, zunächst als Lehrbeauftragter, seit 2012 auch als Mitglied des Hochschulrats. Inzwischen stehe ich der Hochschule mit vm-people auch in Marketingfragen unter anderem zum Thema Storytelling zur Seite. Gemeinsam mit der Hochschulleitung, dem Marketingteam und allen anderen Mitarbeitern der „Karls“ sind wir aktuell dabei ein neues Kapitel in der Geschichte der Hochschule aufzuschlagen, das hoffentlich viele Changemaker, Aktivisten und kreative Widerstandskämpfer dazu befähigen wird, ihre Spuren im Management und in der Welt zu hinterlassen, um sie damit ein kleines Stück besser zu machen.