Demokratisierung auf engstem Raum – Nancy Scola analysiert in Berlin den Obama-Wahlkampf

Am vergangenen Donnerstag konnte ich in den Räumen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Berlin an einer internationalenMedienkonferenz zum Thema „Wahlkampf im Netz: Die Macht der neuen Medien“ teilnehmen. Dazu waren hochkarätige Gäste geladen, unter anderem Nancy Scola, Journalistin aus New York, die in den Blogs„techPresident“ und „Personal Democracy Forum“ die Wechselwirkungen zwischen Politik und Neuen Medien analysiert und während des letzten US-Wahlkampfes zu einiger Bekanntheit gelangte.

Was ihren Vortrag über den Obama-Wahlkampf betraf, hatte ich zunächst nicht erwartet, etwas substanziell Neues zu erfahren. Zu viel ist über die Obamas Wahlkampfführung in den letzten Monaten geschrieben worden. An Nancy Scolas Vortrag war denn auch weniger ihre Darstellung der einzelnen Wahlkampfinstrumenten des Obama-Teams interessant als vielmehr die Schlussfolgerungen, die sie daraus zog. So mischte sie einige erfrischend skeptische Töne in das weitverbreitete Loblied auf die angeblich nahezu perfekt Obama-Kampagne.

Scola räumte vor allem mit der weit verbreiteten Einschätzung auf, der Obama-Wahlkampf sei eine „Graswurzel-Kampagne“, also ein „Bottom-up-Bewegung“ gewesen. Die Tatsache, dass Obama sich eines Heeres an freiwilligen Unterstützern bediente, die vor Ort überwiegend selbstorganisiert operierten, täusche über eines hinweg: hinter dem basisdemokratischen Ansatz steckte eine generalstabsmäßig gesteuerte Kampagne. Während Howard Dean 2004 tatsächlich noch auf ein Netzwerk von lose verbundenen Freiwilligen-Gruppen gesetzt und diesen die Verantwortung für ihr Handeln überlassen habe, so Scola, habe Obama ein anderes Model verfolgt: „It was to use the internet to hold a top-down organization that equipped volunteers to act as surrogates to the campaign with the directions coming from the headquarters in Chicago.“

Scola machte ihre Position u.a. am Umgang der Obama-Kampagne mit den Social Networking Sites im Internet fest. Im Allgemeinen gelten Seiten wie Facebook als Ort des gleichberechtigten Dialoges unter den Nutzern, und bekanntlich war Obama auf diesen Seiten mehr als jeder andere Kandidat präsent. Mit MyBO.com, Obamas offizieller Kampagnenwebsite, wurde ein Portal geschaffen, dass Facebook nachempfunden ist und sogar von einem ehemaligen Facebook-Gründer mitentwickelt wurde. Allerdings ging es dort nicht in erster Linie um Dialog: „MyBO.com was never meant to focus on Online Socializing. Inside the campaign it was known as a mobilization network“, so Nancy Scola.

Im Kern hatten es die Kampagnenmachern darauf abgesehen, Zugang zu möglichst vielen Unterstützern zu erhalten, um sie für die von ihnen vorab definierten Ziele und Aufgaben einzuspannen. Das „Empowerment“ der Menschen, von dem Obama stets sprach, war im Großen und Ganzen auf einige Online-Tools für Fundraising, Telefonmarketing und für die Organisation von Wahlveranstaltungen beschränkt.

Genau dies hob Nancy Scolas in ihrem Fazit hervor: “Like MySpace, Facebook and Wikipedia, the Obama campaign was both democratizing and a very controlled space.“ Ihr Ausblick auf die gerade beginnende Regierungszeit Obamas fiel entsprechend zurückhaltend aus. Dass sich der Demokratisierungsimpuls des Wahlkampfs auch in die eigentliche Regierungszeit Obamas hinüberretten lässt, hält Scola momentan keineswegs für ausgemacht. Es sei eine Sache, Menschen auf eine Wahlkampagne einzuschwören, aber etwas völlig anderes, Unterstützung für komplizierte Gesetzgebungsvorhaben zu organisieren (interessante Diskussion dieses Problems hier und hier).

Außerdem sei zu fragen, ob die Vorgehensweise, unter Umgehung der klassischen Medien für die eigenen politischen Projekte zu werben, überhaupt wünschenswert sei. Als Journalistin sei sie da skeptisch. Jedenfalls, so Nancy Scola abschließend, sei in diesen Zeiten, wo mit der Menge an öffentlich zugänglichen Informationen auch die Orientierungslosigkeit in der interessierten Bevölkerung rasant wachse, der Bedarf nach gutem Journalismus größer denn je. Der Beifall der anwesenden (Nachwuchs-)Journalisten war ihr sicher.

 

 

Mehr über die Konferenz

Nancy Scola bei techPresidentPersonal Democracy Forum und privat

 

 

Foto: http://2009.inwent-iij-lab.org

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