Polit-Gezwitscher – Wie Politiker Twitter richtig nutzen
Zunächst aber ein paar grundsätzliche Gedanken zum Phänomen Twitter. Die Haltung der Twitter-Skeptiker ist weitgehend bekannt. Sie lässt sich knapp zusammenfassen: Alles überflüssig. Tatsächlich werden über Twitter überwiegend Trivialitäten ausgetauscht. Die meisten Botschaften (Tweets) kreisen um momentane Befindlichkeiten, Beschäftigungen und Alltagsbeobachtungen. Wer soll sowas lesen – und warum?
Was hat all das mit twitternden Politikern zu tun? Nun, sie sollten eines wissen: Wenn sie es ernst meinen mit Twitter, dann müssen sie Nähe zulassen. Natürlich eignet sich Twitter auch als Link-Schleuder für die eigenen Pressemitteilungen, Parlamentsanträge etc. Aber im Kern geht es darum, anderen offen zu legen, wer man ist.
Volker Beck von den Grünen scheint das verstanden zu haben. Im 3sat-Interview sagt er:
„Twitter verschafft Nähe zu den Leuten, die sich drum kümmern. Ich finde es wichtig, dass wir den Leuten, die wirklich ein echtes Interesse haben auch echte Kommunikationswege anbieten.“
Nicht so ganz begriffen hat das mit der Nähe offensichtlich Thorsten Schäfer-Gümbel, SPD-Spitzenkandidat bei der vergangenen Hessenwahl. Mit seinem für deutsche Verhältnisse recht elaborierten Online-Wahlkampf wurde er schon als Bembel-Obama gefeiert. Denn wie der US-Präsident twittert auch TSG. Auf seinen Namen liefen sogar zwei Twitter-Accounts, eines davon wurde allerdings inkognito von der TITANIC-Redaktion gepflegt. Doch wie sich gerade herausstellte, wurde auch das „echte“ Schäfer-Gümbel-Account nur sehr sporadisch von ihm selbst gefüllt. Offensichtlich verfassten Mitarbeiter den einen oder anderen Tweet in seinem Namen, auch wenn ein Wahlkampfberater lediglich „technische Hilfe“geleistet haben will.
Wie auch immer es im Einzelnen gewesen sein mag: Grundsätzlich gilt, dass Twitter von der Unmittelbarkeit lebt. Manche sprechen von Authentizität, ich nenne es Nähe. Wer sich als Politiker drauf einlässt, erhält mit Twitter neue Möglichkeiten, intensive Beziehungen zu seinen Unterstützern zu unterhalten. Das muss man wollen, schließlich kostet diese Art der Kontaktpflege Zeit, und Nähe kann auch extrem nerven. Aber der Gedanke, diejenigen ernster zu nehmen, die einem wohlgesonnen sind, scheint sich spätestens seit der Obama-Kampagne langsam durchzusetzen. Seien wir gespannt, wer der erste echte „Politiker zum Anfassen“ in Deutschland werden wird.