Ohne Wahlspot kein Wahlkampf- die Video-Kampagnen der Parteien

Langsam kommt der Wahlkampf in seine heiße Phase. Das ist dann auch die Zeit der Wahlkampfspots im Fernsehen, in denen strahlende Politiker in blühenden Landschaften auf gut gelaunte Bürger treffen. Das kann ziemlich langweilig sein – Wahlwerbung ist eben auch nur Werbung.

Der Videowahlkampf im Internet hat schon etwas früher begonnen. Und im Netz gelten andere Gesetze als im Fernsehen. Wo Clips ganz einfach weggeklickt werden können, ist Langeweile Gift. Das wissen die Parteien und versuchen mit unterschiedlichen Strategien, ihre Videobotschaften interessant zu machen.                                          

Strategie 1: User-generated Content

Schon Tom Sawyer wusste, dass es bei geschicktem Vorgehen möglich ist, andere für sich arbeiten zu lassen und dafür sogar selbst entlohnt zu werden. So überzeugte er die eigenen Freunde, dass es eine große Ehre sei, den Zaun seiner Tante Polly zu streichen und ließ sich das „Recht“, den Pinsel zu schwingen, für allerlei Schätze abkaufen. Ähnlich verfahren heute die Parteien und nennen ihr Vorgehen „Crowdsourcing“. So ließ die SPD von der Netzgemeinde ein Logo für ihren Spitzenkandidaten entwickeln. Wobei bis heute unklar ist, wozu dieser ein Logo benötigt – es sollten wohl eher Netzaffinität und Offenheit demonstriert werden. Im Netz reagiert man so auf’s neue Logo.

Die Grünen sind bei der Produktion ihres Fernsehwerbespots einen ähnlichen Weg gegangen. Unter dem Motto „Du drehst das“ wurden Unterstützer aufgerufen, Videobotschaften über ihre Vorstellungen von einer besseren Welt einzusenden. „Aus diesen und weiteren Aufnahmen“, so schreibt Grünen-Geschäftsführerin Steffi Lemke, „ist jetzt ein bunter Blumenstrauß voller Ideen und Statements für ein nachhaltiges und grünes Leben geworden“, der auf Youtube und in Kürze im Fernsehen bewundert werden kann. Wie groß der Rücklauf war und welcher Anteil des Spots „aus weiteren Aufnahmen“ erstellt werden musste, ist allerdings unbekannt.

Im SPD-Umfeld kursiert momentan ein Spot , der angeblich ebenfalls von Nutzern stammt und nicht von der Wahlkampfzentrale in Umlauf gebracht wurde. Wobei es hierfür natürlich keine Garantie gibt. „Das Spiel mit dem unbekannten Absender ist derzeit als Buzz-Strategie augenscheinlich recht beliebt.“, wie Robin Meyer-Lucht auf CARTA schreibt.

Jedenfalls ist der Spot gut gemacht: Prägnante Idee, klare Gestaltung, dadurch einfach zu realisieren, schöner Überraschungseffekt. Ein echtes Web-Video mit viralem Potential. Doch wer auch immer dahintersteckt, eines ist sicher: Der Spot ist ein Remake. Die Vorlage stammt aus dem argentinischen Präsidentschaftswahlkampf von 2003

Strategie 2: Making of…

Aus dem Obama-Wahlkampf haben die Parteien gelernt, dass Authentizität und Nähe die Schlüsselbegriffe eines modernen (Internet-)Wahlkampfes seien. Dem versuchen CDU und SPD gerecht zu werden, indem sie ein paar Blicke hinter die Kulissen ihrer Wahlkampfmaschinerie zulassen. Allerdings ist das, was unter „Nahaufnahme“  von der CDU  bzw. „Nordkurve“  von der SPD angeboten wird, für meinen Geschmack doch zu inszeniert und zu ausproduziert, um wirklich ein Gefühl des Dabeiseins zu erzeugen. Man schaut sich das an wie eine ganz gewöhnliche TV-Reportage. Warum wird der Zuschauer nicht direkter angesprochen? Die Stärke des Video-Wahlkampfes von Obama war es, auf Augenhöhe zu kommunizieren, die Menschen hineinzuziehen und sie mit konkreten Handlungsanweisungen zum Mitmachen zu animieren. Dass das in diesem deutschen Wahlkampf gelingen würde, hielten die Parteien wohl selbst für unrealistisch .

Strategie 3: Remix

Über die Kultur des Remixens ist zuletzt viel geschrieben worden, an prominentester Stelle von Stanford-Professor Lawrence Lessig, der ein neues Urheberrecht für das digitale Zeitalter fordert. Ohne dass auf formal-juristischer Ebene bisher  Reformschritte absehbar wären, treibt das Remixen im Netz bunte Blüten und ist inzwischen auch im Wahlkampf angekommen. Auf Netzpolitik.org gab es kürzlich einen geradezu exemplarischen Streit darüber, ob es zulässig sei, CDU-Wahlplakate zu remixen. Der Streit ist inzwischen beigelegt. Dennoch ist die CDU, die sich eher für ein traditionelles Urheberrecht stark macht, weiterhin die beliebteste Zielscheibe von „Angriffen“ aus der Remix-Szene. Es werden sogar Generatoren entwickelt, mit deren Hilfe man CDU-Plakate remixen kann – Ergebnisse sieht manhier.

Interessant an der Sache ist, dass auch einige Remix-Videos aus dem CDU-Lager im Netz kursieren, obwohl gerade in der Union ein sehr traditionelles Verständnis vom Schutz geistigen Eigentums herrscht.

 

Neben diesen User-generierten Videos haben SPD und Grüne das Remixen selbst in die Hand genommen und in ihren offiziellen YouTube-Kanälen „SPDvision“ und „KanalGrün“ zwei satirische Filmchen eingestellt:

Fazit

Was das Ganze bringt, lässt sich schwer sagen. Es bleibt zu vermuten, dass die vorgestellten Videos – ob von den Parteien oder von Usern entwickelt – nur einen Bruchteil der Wahlbevölkerung erreichen werden. Allerdings, und das ist das Neue, hat der Normalbürger mit einer guten Idee erstmals potentiell die Chance, mit geringem Aufwand relativ viel Aufmerksamkeit zu erlangen.

 

Dass aber auch die klassische Herangehensweise der Wahlwerbung nicht per se veraltet und schlecht sein muss, zeigt die CDU mit ihrem Angela-Merkel-Spot.

Wie hier in 1:30 politische Bot- und persönliche Eigenschaften der Kanzlerin verdichtet und in Bilder übersetzt werden, ist ganz großes Kino. Ich glaube, das wirkt – im Fernsehen und auf dem Bildschirm.

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